Jetzt hab ich doch ein schlechtes Gewissen, dass ich so lange nichts von mir hören hab lassen. Ich war inzwischen schon drei Mal ambulant in München und zu Hause bei Ärzten für alle möglichen Voruntersuchungen. Sie haben am Montag vor einer Woche nicht alle Untersuchungen geschafft und diesen Montag auch nicht. Das liegt allerdings mehr an der schlechten Planung als am Zeitmangel. In der Zeit, die ich an den Tagen irgendwo wartend rumsaß, hätte man noch zehn andere Untersuchungen machen können.
Letzten Freitag war ich für einen OP-Termin dort, weil der Port, den ich für die Antikörpertheraphie hatte, vor der Transplantation raus muss. Der liegt zwar, so lange man ihn nicht ansticht, vollständig unter der Haut, aber ist ein Fremdkörper, der wegen Infektionsgefahr entfernt wird. Ich habe in meinem jugendlichen Leichtsinn angenommen, dass das Rausmachen einfacher sein müsste als das Einsetzen, aber weit gefehlt. Der Körper erkennt das Plastikteil als Fremdkörper und bildet eine Kapsel aus Gewebe darum. Die muss der Chirurg ebenfalls entfernen, weil es sonst zu innerlichen Blutungen und Wundheilungsstörungen kommen kann. Das hat ewig gedauert und durch die lokale Betäubung hatte ich zwar (zumindest am Anfang) keine Schmerzen, aber man spürt trotzdem alles. Gegen Ende hat dann auch noch die Betäubung nachgelassen und das ganz war wirklich eine Tortur. Ich war das ganze Wochenende fix und fertig und musste ja dann am Montag schon wieder in München sein. Da haben sie unter anderem mein Knochenmark punktiert, was ja auch nicht unbedingt angenehm ist.
Morgen wird ein CT von der Lunge und eine sogenannte Lumbalpunktion gemacht. Dabei wird mit einer Spritze im Rücken punktiert (an der Wirbelsäule, aber unterhalb des Rückenmarks) und ein wenig Nervenwasser herausgeholt und dann Chemo gespritzt. Das macht man, weil das Gehirn und das Nervenwasser (Liquor) einen geschlossenen Kreislauf bilden (vielleicht erinnert sich noch jemand aus der Schule an die „Blut-Hirn-Schranke“? :-)), in den Chemotherapie, die über die Vene gegeben wird, nicht eindringen kann.
Und das ist im Moment der Plan: Am Sonntag werde ich stationär auf die KMT aufgenommen und bekomme wieder einen ZVK (Zentraler Venenkatheter). Der tut im Prinzip nichts anderes als ein Port, ist aber nur ein Schlauch, der außen an der Haut vernäht wird und deshalb viel leichter wieder zu entfernen ist. Das muss man eventuell auch mal schnell machen, wenn der Verdacht besteht, dass Fieber und erhöhte Entzündungswerte auf einen infizierten ZVK zurückzuführen sind. Am Montag ist dann Tag -7. Der erste Tag der sogenannten Konditionierung, also der direkten Vorbereitung auf die Transplantation. Das dient zwei Zwecken: Abtöten eventuell noch vorhandener Krebszellen und Ausschalten meines Immunsystems, also sozusagen mein Knochenmark leer machen, damit dort die Stammzellen des Spenders anwachsen können. Diese besteht aus drei Tagen Ganzkörperbestrahlung, drei Tagen Chemo und einem Tag Pause (Sonntag, der dritte Advent). Wieder am Montag (in zwölf Tagen) ist dann der Tag 0. An dem Tag bekomme ich eine Infusion mit den Stammzellen des Spenders, bei einer Stammzelltransplantation wird nicht operiert. Von da an zählt man die Tage, die dann für alle möglichen „Meilensteine“ relevant sind. Zum Beispiel: Um den Tag 21 sollten die Stammzellen langsam in meinem Knochenmark anwachsen, um den Tag 30 wird zum ersten Mal Knochenmark punktiert, am Tag 60 wieder, bis zu Tag 100 versucht man die Immunsuppressiva auszuschleichen. Im Gegensatz zu Organtransplantationen bei denen der Empfänger meist ein Leben lang Immunsuppressiva einnehmen muss, erneuert sich ja durch die Stammzelltransplantation mein komplettes Immunsystem und wird im Idealfall vom Körper nach einiger Zeit als eigen akzeptiert.
Das war jetzt sehr viel Technisches (und ich könnte noch viel mehr schreiben), aber wie geht’s mir? Nicht besonders, so viel kann ich sagen. Da ist zum einen, dass ich gehofft hatte, in der Zeit direkt vor der Transplantation mehr Ruhe zu haben und nicht ständig nach München fahren zu müssen. Zum anderen bin ich auch ein bisschen sauer, dass sie das mit dem Port nicht früher gemacht haben. Was mir mal wieder beweist, dass man als Patient eigentlich selbst schon immer alles vorher wissen muss. Dann hätte ich darauf bestanden, dass sie das früher machen. So elend wie letztes Wochenende habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
Ansonsten wird es einfach auch immer schwieriger nicht nachzudenken oder mich abzulenken. Die Momente, in denen ich vergesse, werden immer kürzer und seltener. Ich habe ein bisschen das Gefühl wie in einer Blase zu sein, ich bekomme schon mit was um mich rum passiert, aber das ist alles so surreal. Vielleicht auch ein ganz guter Schutzmechanismus unseres Gehirns…wer weiß. Ich könnte grade nicht mal sagen, ob ich Angst habe. Vielleicht fühlt es sich eher an wie eine Starre, das Kaninchen vor der Schlange. In den besseren Momenten, denke ich mir, das ist jetzt so ein bisschen wie in den Winterschlaf gehen. Sonntag beginnt mein Winterschlaf. 🙂 Oder ich versuche mich zu erinnern, dass ich schon einmal viereinhalb Monate am Stück im Krankenhaus war und wenn es einigermaßen gut läuft, wird es diesmal ja gar nicht so lange. Ich weiß auch aus Erfahrung, dass nach einem beschissenen Tag (oder meinetwegen Tage), ein besserer kommt und dass ich einfach nicht in der Lage zu sein scheine auf Dauer deprimiert zu sein. Ich werde wieder lernen wie beim letzten Mal jeden Tag für sich zu nehmen und nicht zu weit vorauszudenken. Denn ein Tag ist eine machbare Aufgabe. In solchen Situationen ist es wichtiger denn je im Hier und Jetzt sein.
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I feel really bad that I haven’t written anything in such a long time. There’s been too much going on. I went to Munich three times and to several physicians at home for pre-transplant checkups. They have really bad time management in the hospital which is the reason why they didn’t manage to do everything last Monday and this Monday. During the time I spent waiting in hallways they could have done another ten examinations.
Last Friday I was there for a surgery where they took out my port which I had for the antibody therapy. It’s completely underneath the skin but as it is foreign to the body there is still a risk of infection, so it needed to go before the transplant. I foolishly assumed that taking it out was easier than getting it in. Far from it! The body knows that the plastic thing is foreign and encapsulates it with tissue. The surgeon has to take out this capsule too because it might bleed inwardly or cause the wound not to heal properly. This took forever and with local anesthesia there is no pain but you can still feel everything. Towards the end the anesthesia didn’t work properly anymore and I felt every stitch when he sewed me back together. This came close to torture. I was completely and utterly exhausted during the weekend knowing I had to go back to Munich on Monday for another bone marrow biopsy which also isn’t really fun.
Tomorrow they will do a CT scan of my lung and a lumbar puncture. A needle is inserted into the spinal canal to first take out some cerebrospinal fluid and then inject chemotherapy. This is done because the fluid is not connected to the blood circuit and thus the chemo I will get via the central line won’t get there.
For now this is the plan: On Sunday I will be admitted to the hospital and get a central venous catheter which basically fulfills the same function as the port did but it is attached to the skin with only two stitches and thus can be removed quickly and easily. This might be necessary in case I get a fever and the doctors assume it might be caused by an infected catheter. Monday will be day -7. The first day of the so-called conditioning which is the direct preparation for the transplant. It serves to purposes: killing any remaining leukemia cells and suppressing my immune system, basically emptying my own bone marrow so that the transplant will grow there. It consists of three days of full-body radiation therapy, three days of chemo, and a one day break (Sunday). On Monday (in twelve days) will be day 0. On that day I will receive an infusion that contains the stem cells from the donor. There is no surgery for a stem cell transplant. From that day on the days are counted upward to mark specific “milestones”. For example: Around day 21 the stem cells should slowly begin to grow in my bone marrow, on day 30 the first bone marrow biopsy, another one on day 60, and until day 100 they try to take you off the immune suppressants. By then my body should be able recognize the originally alien immune system as its own not like people who get an organ transplant and keep their original immune system. They usually have to take immune suppressants for all their lives.
I know, this was a lot of technical stuff (and I could write even more) but how am I doing? Not too well, that much I can say. I had hoped that I would have more time to relax and regenerate in the time right before the transplant. Now I am going back and forth between here and Munich all the time which is exhausting. I am a little annoyed that they didn’t do the surgery earlier. I felt so miserable last weekend. Not really what you need a week before the transplant.
It is getting harder and harder not to think or distract myself. The moments in which I can truly forget become shorter and rarer. I feel like I am in a sort of bubble, I realize what is happening around me but it doesn’t have anything to do with me. It’s very surreal. Maybe this is my brain protecting me…who knows. I couldn’t even tell right now whether I am afraid. It feels more like I am paralyzed, a deer caught in the headlights (I am not sure this is the right expression in English but the only one I could find online.) When I feel better I think about it more like going into hibernation. Sunday Andrea starts her hibernation. 🙂 Or I try to remind myself that I already spent four and a half months in a hospital and if it goes well this time it won’t even be that long. I also know from experience that after a shitty day (or days) there is always a better day and that I seem to be incapable to remain depressed for a longer period of time. I will learn again like last time to take each day by itself and not think too much about the future. Because one day is a manageable task. These are the situations where it is more important than ever to remain here and now.
<This was a hard one in terms of vocab and expressions. Please let me know if there is anything blatantly wrong.>